Umschlag: Diese Ausgabe vereint — in ungefährer Reihenfolge ihres Entstehens — alle Erzählungen der Bände „König Ödipus" (1966) und „Der Jongleur im Kino oder Die Insel der Träume" (1970) sowie neuere, bisher nur in Zeitschriften und Anthologien publizierte Texte. Sie stellt damit einen wesentlichen Teil des Fühmannschen Werkes ins Blickfeld: die erzählerische Leistung eines Autors, dessen Neigung von Anbeginn der kürzeren Prosa galt und der mit Arbeiten von hohem weltanschaulich-philosophischem und ästhetischem Anspruch unsere Literatur immer von neuem belebt. Dem aufmerksamen Leser wird sich der innere Zusammenhang dieser künstlerischen Entwicklung erschließen, über alle erzählerischen Neuansätze hinweg: Denn sowohl die novellistisch zugespitzte Prosa, in der Fühmann mit großer Wahrhaftigkeit die schuldhafte Verstrickung seiner Generation in Krieg und faschistische Ideologie gestaltete, als auch die jüngst entstandenen Erzählungen, in denen sich das für die Literatur einzig produktive, kritische Wirklichkeitsverhältnis eines zeitbewußten Schriftstellers äußert, zielen letztlich auf die genaue Analyse von menschlichen — oder unmenschlichen Verhaltensweisen und der ihnen zugrundeliegenden Bewußtseinszustände.
Im Juni des Jahres 1941, an der Memel, geschah es, daß drei Soldaten, der Obergefreite Karl W. und die Oberschützen Josef L. und Thomas P., gemeinsam ihren großen Tag hatten. Es war ihnen gelungen, bei einem Übungsschießen mit je drei Schuß fünfunddreißig Ringe zu treffen. Das war das beste Schießergebnis seit Jahren im-Bataillon, ja in der gesamten Division. Die drei waren sofort, noch auf dem Schießstand, vom Bataillonskommandeur, einem Major von der Saale, belobigt worden. Es war üblich, den glücklichen Schützen nach solchen Leistungen Heimaturlaub zu gewähren; doch schon seit Wochen war Urlaubssperre. So wurden die drei für drei Tage von jeglichem Dienst befreit. Sie durften wegtreten, ohne das Ende der Übung abwarten zu müssen.